Betreuungsrecht - Grundzüge und Grundlagen
Mit dem 01.01.1992 ist das neue Betreuungsrecht in Kraft getreten. Seit 01.01.2023 ist mit den §§ 1814 - 1881 BGB eine Reform der rechtlichen Betreuung in Kraft, die betroffenen Menschen weitergehende persönliche Rechte und Verantwortlichkeiten belässt und Eingriffe in Persönlichkeitsrechte nur bedingt zulässt.
Das neue Betreuungsrecht
Kurz zusammengefasst beinhaltet das Betreuungsrecht die folgenden entscheidenden Neuerungen und Vorschriften:
- Die Betreuung soll zum Wohl des Betreuten geführt werden
- Anerkennung der persönlichen Wünsche des Betreuten
- Die Personen- und Gesundheitssorge steht im Vordergrund
- Festgelegte Aufgabenkreise je nach Hilfebedarf
- Die Dauer des Bestehens der gesetzlichen Betreuung ist befristet
- Wahlrecht, Eheschließung und Testament bleiben unberührt
- Volle Geschäftsfähigkeit des Betreuten

Mit der früher ausdrücklichen Formulierung im Gesetz „Die Betreuung soll zum Wohl des Betreuten geführt werden“, hat der Gesetzgeber eine Schwerpunktsetzung für einen gewissen Grad an eigenem und Ich-bestimmten Lebensstil garantiert. Die aktuelle Formulierung "Der Betreuer hat die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, dass dieser im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Leben nach seinen Wünschen gestalten kann." (vgl. § 1821 Abs. 2 BGB „Pflichten des Betreuers“) verdeutlich dies noch einmal.
B„Was nicht nützt, aber auch nicht schadet, soll gemäß des Willen des zu Betreuenden umgesetzt werden“ (Balanceakt)

Die Wünsche der Betreuten haben Vorrang vor der persönlichen Auffassung des Betreuers (nach dem Grundsatz: Was der Betreuer für den Betreuten für richtig und gut hält, muss in den Augen des Betreuten noch lange nicht das Richtige für ihn sein).
Bedingung des Wunschvorranges des Betreuten: Solange die Wunschumsetzung des Betreuten nicht seinem Wohl zuwider läuft und die Umsetzung dem Betreuer zuzumuten ist.
Vor der Regelung von wichtigen Angelegenheiten, soll der Betreuer dies mit dem Betreuten besprechen, sofern dies nicht dessen Wohl zuwiderläuft („Erörterungspflicht“ (vgl. § 1821 Abs. 4 BGB „Pflichten des Betreuers“)

Das vor 1992 geltende Vormundschaftsrecht regelte die rechtliche Fürsorge und den Umgang mit dem Vermögen der als "unmündigen erklärten Person". Ausgerichtet auf die Lebensverhältnisse um das Jahr 1900 enthielt das Vormundschaftsrecht nur wenige Regelungen zur Personensorge.
Mit der Einführung des neuen Betreuungsrecht 1992 rückt der Gesetzgeber mit der Fokussierung der Betreuung auf die Personen- und Gesundheitssorge, den zu betreuenden Menschen in den Vordergrund der Betreuung. Diese eindeutige Gewichtung im neuen Betreuungsrecht impliziert die Notwendigkeit, einen regelmäßigen Kontakt zum Betreuten zu halten und diesen individuell zu betreuen.

Festgelegte Aufgabenkreise je nach Hilfebedarf
Eine gesetzliche Betreuung bezieht sich nicht automatisch auf alle Bereiche des Lebens des Betreuten, sondern es wird genau geprüft, in welchen Aufgabenbereichen der Betroffene Hilfe über eine gesetzliche Vertretungsbefugnis durch einen gesetzlichen Betreuer braucht.
Entsprechend des Hilfebedarfes des Einzelnen werden Aufgabenkreise gerichtlich angeordnet. Der Betreuer darf nur in diesen festgelegten Aufgabenbereichen mit und für den Betroffenen tätig werden, um die Angelegenheiten der betreuten Person zu erledigen.

Die Dauer des Bestehens der gesetzlichen Betreuung ist befristet.
Das Gericht ordnet zunächst eine vorläufige Betreuung für sechs Monate an. Nach Ablauf dieser Zeit wird überprüft, ob eine dauerhafte Betreuung erforderlich ist.
Durch das 2. Betreuungsrechtsänderungsgesetz kann seit 2005 die dauerhafte Betreuung auf maximal sieben Jahre festgelegt werden. Nach Ablauf der Betreuungsgültigkeit wird vom Betreuungsgericht automatisch begutachtet, ob die Notwendigkeit einer gesetzlichen Betreuung weiter gegeben ist.
Gemäß dem Betreuungsrecht hat die betreute Person die Möglichkeit, beim Betreuungsgericht einen Antrag auf Aufhebung der gesetzlichen Betreuung zu stellen. Das Gericht ist verpflichtet, diesen Antrag zu prüfen. Wenn das Gericht keinen Grund für eine weitere rechtliche Betreuung sieht, wird die Betreuung aufgehoben.
Verstirbt die betreute Person, erlischt die rechtliche Betreuung automatisch.

Das Wahlrecht, die Eheschließung und das Erstellen eines Testamentes unterliegt dem freien Willen des Betreuten und bedarf keiner Zustimmung des Betreuers. Dies war nach dem Vormundschaftsrecht nicht möglich.

Eine gesetzliche Betreuung hat keinerlei Auswirkungen auf die Geschäftsfähigkeit des Betreuten. Ein Betreuter ist also voll geschäftsfähig und kann Rechtsgeschäfte tätigen (z.B. Kaufverträge abschließen).
Einzige Einschränkung:
Der vom Amtsgericht angeordnete Einwilligungsvorbehalt (§ 1825 BGB), um eine erhebliche Gefahr für die Person oder das Vermögen des Betreuten abzuwenden. Der Einwilligungsvorbehalt wird beispielsweise dann erteilt, wenn der Betreute uneinsichtig, selbstschädigend sein Einkommen ausgibt und nicht mehr seine existenziellen Kosten im laufenden Monat tragen kann.
Das „neue“ Betreuungsrecht von 1992 wurde durch das „Drittes Gesetz zur Änderung des Betreuungsrechtes“ - Gesetz zur Patientenverfügung und Gesetz zur Reform des Verfahrens in Familiensachen zum 01. 09. 2009 geändert.
Die letzte Reform zum Betreuungsrecht trat zum 01. Januar 2023 in Kraft und ist in §§ 1814 - 1881 des BGB veröffentlicht.